Wer kennt es nicht in unserer Zeit, das Gefühl, atemlos durch die Tage und Wochen zu hetzen, getrieben zu sein und von Fliehkräften aus der eigenen Mitte gerissen zu werden. Letztlich spiegelt der Atem unsere Stimmung und leib-seelische Verfasstheit wider: Ob wir aufgeregt sind und uns freuen, oder voller Angst sind; ob wir im inneren Gleichgewicht sind, oder an der Oberfläche abgetrennt von der Tiefe agieren. Auch unser Lebensstil wirkt sich darauf aus. Praktisch sind wir keineswegs „Atem –los“, da beständig ein nächste Atemzug folgt. Genau da läge, bzw. liegt der Schlüssel und Zugang zu dem, was wir in der Atemlosigkeit verlieren, nämlich die Verbindung zu unserer Intuition. Gerade dieser Verlust lässt uns im Besonderen leiden, ob bewusst oder unbewusst. Im Hamsterrad und bei blank liegenden Nerven fehlt uns der tiefere Orientierungspunkt der intuitiven Wahrnehmung, sowohl für uns selbst, als auch in der Verbindung zu den Menschen um und mit uns. Unser Handeln wird damit nicht mehr von Weisheit geleitet, sondern vom eingeschränkten Tunnelblick gesteuert, beim schnellen Erledigen unter dem Druck des Funktionierens. Dort ziehen wir vornehmlich nur die aktiven Möglichkeiten in Betracht. Das Wesen des Atemzyklus beinhaltet jedoch die aktive und die passive Dimension unseres Lebens. Die Aufmerksamkeit auf den Atem sensibilisiert uns dafür und hilft, dass unsere Aktivitäten von Passivität begleitet, durchdrungen und getragen wird. Im Verweilen beim Atem sammelt und entleert sich unser Geist. Bei derartiger Ausrichtung auf´s Einfache finden wir zurück aus der Kompliziertheit unseres Denkens zur Einfachheit des Lebens. Das Achten auf den Atem führt uns zu uns selbst, in die Gegenwart, in die langsamen Rhythmen des Lebens, bis hin zu einer gesammelten Präsenz. Er schenkt uns Zugang zu Ruhe, Gleichgewicht, Gelassenheit, Sicherheit, Selbstwert und Kraft. (vgl. Simon Peng-Keller, Kontemplation, Einübung in ein achtsames Leben, Kreuz-Verlag) Darüber hinaus ist der menschliche Atem ein heiliges Geschehen, er öffnet unser Herz zum Göttlichen. Gottes Lebensatem belebt und bewohnt den Menschen, inspiriert ihn und lässt ihn aufatmen. In der Bibel heißt es: Gott gibt allem Leben und Atem; in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir. (Apg 17,25-28) Immer und überall begleitet uns der Atem. Mit jedem Atemzug ist uns die Gelegenheit geschenkt, den atem-losen Zustand zu durchbrechen: Einfach mal hinsitzen und durchatmen. Wenn wir ohne Zwang und Druck aus- und einatmen, dürfen wir im entspannenden Sinne LOS-Lassen und dann wieder neu Kraft schöpfen und den Strom des Lebens spüren.