Gedanken zur Fastenzeit

HngertuchFastenzeit: ein Anachronismus, wie es scheint. Vierzig Tage lang auf Genuss zu verzichten, den Konsum einzuschränken, insgesamt stiller zu leben; ist das nicht eigentlich überholt? Steht nicht ein religiöses Leistungsdenken dahinter, von dem wir uns – glücklicherweise – inzwischen verabschiedet haben?

Heilfastenkuren sind allerdings Trend; sie dienen nicht nur der Gewichtsreduzierung, sondern der „Entschlackung“ des Lebens. Und so könnte man „Fasten“ zeitgemäß tatsächlich übersetzen: Maß halten, was und wie viel wir zum Leben brauchen. Denn vieles, was uns unverzichtbar scheint, ist in Wirklichkeit äußerlich und beliebig. Wir sind nicht darauf angewiesen – und nehmen es doch überaus wichtig, ob es sich nun um Kleidung oder Wohnungseinrichtung handelt, das Auto, Reisen an spektakuläre Orte oder die nächste Sprosse auf der Karriereleiter. Was auch immer es ist, das uns beschäftigt und unsere Gedanken erfüllt: Es nimmt zuweilen so viel Raum ein, dass wir gar nicht mehr sehen, was um uns herum geschieht. Manchmal übersehen wir auch die Menschen, die uns brauchen.

Dieses Thema finden wir auch im MISEREOR-Hungertuch wieder: Der Künstler, Dao Zi aus China, hat einen mächtigen Goldklumpen in die Mitte gesetzt. Das halbabstrakte Bild ist vieldeutig.

Das unbestimmte Grau für Himmel, Wasser, Raum, die Welt, in der wir leben.
Die horizontale schwarze Bahn – unser Weg durch die Zeit.
Der riesige Goldklumpen – wie ein scharfkantiger Meteorit, der uns Weg und Blick verstellt.

Der Künstler fragt uns: „Wie viel ist genug? Wie viel an materiellen Gütern brauchen wir? Wo versperren sie uns den Weg, wo nehmen sie uns den Blick und behindern das wahre Leben?

Wie können wir uns befreien?
Was brauchen wir wirklich, wie viel ist genug?
Wie können wir mit anderen gut, erfüllt und menschenwürdig leben?

Nimm mir
die Masken meines Selbst
die Requisiten meiner Gewissheiten
Nimm auch die Angst
Nimm mir
das Kostüm meiner Selbstzweifel
das Drehbuch meiner Selbstinszenierung
Nimm auch die Eitelkeit
Zuletzt nimm auch die Bühne
stell mich nackt und bloß
auf die Erde
damit ich empfange:
Das Geschenk
deiner Fülle.

Aus: MISEREOR Fastenaktion 2016, Gottesdienst am Aschermittwoch “7  Wochen mit den Armen” (von Petra Gaidetzka); Meditationen zum MISEREOR-Hungertuch 2015/2016 von Ricarda Moufang, inspiriert vom Gebet des Hl. Nikolaus von der Flüe

mehr unter:   https://www.misereor.de/mitmachen/fastenaktion/hungertuch/

Schreibe einen Kommentar